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Familie Hilger und die damalige Zeit

15.07.2021 - Besuch bei Frau Ursula Büdenbender geb. Hilger in Bad Godesberg
 

Frau Ursula Büdenbender ist 1927 als 4. Kind von Hans Hilger und Friedel Hilger geb. Seiltgen in Leversbach geboren. Ihr Vater Hans Hilger war von 1919 bis 1944 Lehrer der Volksschule Leversbach. Bis zur Evakuierung 1944 lebte sie mit ihrer Familie in der Lehrerwohnung der Volksschule. Sie hatte 9 Geschwister. Ihre beiden älteren Schwestern Roswitha und Irmgard sind 2017 und 2018 in Aachen verstorben, ihr älterer Bruder Norbert ist im 2. Weltkrieg als Soldat umgekommen. In seinem Totenzettel ist zu lesen: „Während des letzten Kriegswinters hat er an der Ostfront im Erdkampf gestanden, und erst nach langem Warten bekamen die Angehörigen Nachricht, dass Norbert am 06. Februar 1945 zu Glogau aus der Wirrnis dieser dunklen Zeit abberufen worden ist.“ (Hinweis von Dr. Georg Hilger)

 

Ihr jüngerer Bruder Rudolf Hilger lebt in Bad Sassendorf. Er war dort viele Jahre Kurdirektor und ist mittlerweile 90 Jahre alt. Er war zusammen in einem Schuljahr mit meiner Mutter Maria Grisar (verh. Lauscher), Mina Proenen (verh. Klein) und Elisabeth Ramm (verh. Büngeler). Sein Patenonkel war Prof. Rudolf Schwarz, der Architekt unserer Kirche St. Albertus Magnus, der später viele bedeutende Kirchen begründete. Die Leversbacher Kapelle war eines seiner Frühwerke.

 

Der jüngste Bruder Dr. Georg Hilger, geb. 1939 in Leversbach, lebt heute in Kornelimünster. Er ist ein katholischer Religionspädagoge und emeritierter Hochschullehrer.

 

Ihre jüngere Schwester Brigitte starb als Kind an Diphterie, als sich diese Krankheit 1944 als Pandemie in Leversbach verbreitete. Weiterhin starben in Leversbach an dieser Krankheit: Anna Klein, Käthe Rick und Kordula Löhrer.

 

Ihr Vater, der Lehrer Hans Hilger, kam aus Stockheim, ihre Mutter Friedel aus Krefeld. Ihre Eltern haben sich über die „Wandervögel“ kennengelernt.

 

Während der Evakuierung geriet die Familie unter Granatenbeschuss und Frau Büdenbender, Ursula Hilger, verlor ein Bein. Sie war zu der Zeit 17 Jahre alt; sie kam in ein Lazarett, in dem sie als eine von nur wenigen Mädchen/ Frauen untergebracht war unter vielen Soldaten.

 

Ihr Vater beschrieb in seinem Aufsatz „Aus Zwölf von Tausend Jahren“ (Dürener Geschichtsblätter Nr. 76) den Hergang im März 1945 so:

 

„Die Leute luden uns und unseren Kram auf zwei Fahrzeuge, deckten sie mit Planen ab, die weit sichtbar das Genfer Kreuz trugen… Der erste Wagen brachte die Familie, unbelästigt von Tieffliegern, durch das Bröhltal. Ursel war zurückgeblieben und wollte mit dem zweiten Wagen fahren. Aber sie kam nicht weit. Als der Wagen in der Nähe der Ingersaueler Mühle war, nahte von hinten ein Tiefflieger und nahm den Wagen ins Visier. Der Fahrer auf dem Kutschbock war sofort tot, das Pferd fiel tot um, Ursel bekam einen Schuss ins Knie. Sie wurde als erste in den Verbandsplatz geführt, der gestern noch unsere Wohnung gewesen war. Wir waren empört über den brutalen Flieger, erfuhren aber, dass nur Verwundetentransporte durch das Rote Kreuz geschützt sind… Ursel wurde vom Verbandplatz nach Bonn ins Krankenhaus gebracht, und leider musste nach dem Unterschenkel auch noch das Knie amputiert werden.“

 

Später bekam Frau Büdenbender eine Beinprothese, mit der sie auch Auto fahren konnte, Automatik. Sie hat geheiratet, ist jedoch schon lange verwitwet, hat drei Kinder, Enkelkinder und mittlerweile einen Urenkel.

 

Nach dem 2. Weltkrieg kam die Familie Hilger zunächst aus der Evakuierung nach Leversbach zurück, die Schule war jedoch so schwer zerstört, dass sie unbewohnbar war. Das eingebuddelte Geschirr wurde wieder ausgegraben, es hatte das Kriegsgeschehen überstanden. Die Familie zog zunächst nach Kreuzau und Hans Hilger wurde Schulrat in Düren, später Regierungsrat in Aachen.

 

Seine Tochter Ursula studierte ebenfalls auf Lehramt, wollte sich jedoch unabhängig von der Stellung des Vaters ein Berufsleben aufbauen. Sie hatte bereits als Kind viel Kontakt zu ihrer Großmutter in Bad Godesberg, war dort oft in den Ferien und so entschied sie sich, nach Bad Godesberg zu gehen. Sie heiratete dort und arbeitete lange an einer Grundschule, in der sie während der Bonner Regierungszeit auch viele Diplomatenkinder unterrichtete. Die Schule lag direkt am Rhein, heute ist sie ein Bootshaus.

 

Frau Büdenbender erinnert sich an einige Dinge in ihrer Kindheit in Leversbach:

  • Die Post musste in Nideggen geholt werden.

  • Die Gaststätte Grötzinger hatte als einzige im Dorf Telefon. Wenn ein Anruf kam, wurde man von „Döres“ geholt, der dabei ein ausführliches Schwätzchen hielt.

  • Die Schule bzw. die Lehrerwohnung bekam als erstes in Leversbach ein Badezimmer mit einer Wassertoilette. Das war sehr interessant für die Schulkinder. Sie bohrten Löcher in die Tür, um hindurch zu schauen. Auch gab es die Meinung: „Die Säu, die han et Klo im Haus.“

  • Frau Büdenbender ging in Düren zur Schule. Sie musste um 06:50 Uhr in Leversbach losgehen, um die Bahn in Üdingen um 07:10 Uhr zu bekommen. Sie fragt, ob die Leversbacher immer noch nach Üdingen zur Bahn gehen. Ich berichte von der Entwicklung zur Rurtalbahn und den Nahverkehrsmöglichkeiten heute.

 

Weiterhin erinnert sich Frau Büdenbender an den Stausee Obermaubach, die Familie Hilger hatte dort ein Boot. Häufig gingen sie auch in den Wald, Pilze suchen oder Waldbeeren pflücken.

 

Interessanterweise spricht Frau Büdenbender das Leversbacher Platt noch gut.

 

Zum Abschluss meines Besuchs zeigte mir Frau Büdenbender drei Bilder aus Leversbach, die in ihrem Wohnzimmer hängen:

 

Kirche St. Albertus Magnus um 1937

 

Volksschule Leversbach ca. 1928

 

Weiterhin hing dort eine Zeichnung des Dorfes Leversbach von Theo Pfeil, einem Dürener Maler, der 1903 geboren war. In der Mitte des Dorfes sieht man deutlich die Schule, die 1901 gebaut und 1903 eingeweiht wurde.

 

Text und Fotos: Margret Lauscher (2021)

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